Wir sind tief bestürzt über die Nachricht vom Tod Reinhard Seltens. Wir verlieren mit ihm einen der bedeutendsten Ökonomen unserer Tage, und einen Pionier der Verhaltensforschung und Spieltheorie. Reinhard Selten hat viele von uns durch seine Arbeiten und seine unerschöpfliche Kreativität inspiriert, einigen ist er auch als Wegbegleiter und Koautor verbunden. Die rasanten Entwicklungen in Köln der letzten Jahre hat Reinhard Selten überaus interessiert begleitet und unterstützt. Wir sind ihm dafür zu großer Dankbarkeit verpflichtet.
Reinhard Selten war getrieben von dem tiefen Wunsch, der Natur des ökonomischen Verhaltens auf den Grund zu gehen. Er hat sich dabei nicht davon ablenken lassen, was gerade in der Wirtschaftswissenschaft Mode war, oder was Andere dachten. Diese Unabhängigkeit, gepaart mit methodischer Brillanz und Leidenschaft, ließ ihn zum Vorreiter in der ökonomischen Verhaltensforschung werden.
1994 erhielt Reinhard Selten, zusammen mit John Harsanyi und John Nash, den Nobelpreis für seine bahnbrechenden Arbeiten in der Spieltheorie, die er "perfektioniert" hatte. Doch niemand war sich der Tatsache mehr bewusst als Reinhard Selten, dass die Anforderungen der Spieltheorie an die Rationalität der Spieler in vielen Situationen unrealistisch hoch sind, und nicht alle Empfehlungen der Spieltheorie akzeptabel erscheinen. Angesprochen auf den scheinbaren Widerspruch in seinen Arbeiten erwiderte Selten: „Ich bin nicht schizophren, ich bin ein methodischer Dualist. Ich bin es deshalb, weil ich glaube, dass es auf der einen Seite Sinn macht, darüber nachzudenken, wie sich vollständig rationale Menschen verhalten würden, weil Rationalität das ist, wonach Menschen letztlich streben. Andererseits sind Menschen nicht in der Lage tatsächlich vollständig rational zu entscheiden und deshalb ist es auch sinnvoll, zu beschreiben, was sie in ihrem unvollkommenen Streben nach Rationalität wirklich tun.“
Reinhard Selten hat drei Wurzeln des ökonomischen Verhaltens unterschieden: Adaptation, Motivation und Kognition. Alle drei Bereiche wurden in der Wirtschaftswissenschaft lange vernachlässigt, doch in allen drei Bereichen haben wir in den letzten Jahren – auch durch unsere Kölner Forschungen – viel dazu gelernt.
Ich bin auch persönlich dankbar und glücklich, dass Reinhard Selten mein gesamtes Forscherleben begleitet und inspiriert hat, angefangen von der Diplomarbeit bis hin zu jüngeren Kooperationen. Ich bin traurig, dass die Ära nun zu Ende geht.
Es gibt noch große Herausforderungen und Ziele in der Verhaltensforschung. Reinhard Selten hätte die Zukunft der Verhaltensforschung gerne weiter gestaltet. Am 23. August 2016 ist er verstorben. Wir werden Reinhard Selten ein lebendiges Andenken bewahren.
Axel Ockenfels